Alles a weng
(Hinweis für Nicht-Franken: "alles a weng" = "alles ein bisschen")
Was ich gerne esse?
Ach, alles a weng.
Ich bin kein Vegetarier und verschließe mich auch im Urlaub nicht den
landestypischen Leckereien. Zumindest mache ich mal einen Versuch.
Manchmal lernt man ja dazu, wenn das Hauptgericht, dessen Namen auf der
Speisekarte man offensichtlich fehlinterpretiert hat, mit acht traurigen
Augen um Gnade fleht, oder wenn man nach Genuss der von der hübschen
Kellnerin empfohlenen, süßen, körnig-breiigen Nachspeise zwei Tage lang
statt der Schönheit der Natur die Kacheln der Toilette bewundert.
Ansonsten verflüchtigt sich eigentlich nur beim Anblick von sauerer
Leber oder Blutwurst meine Lust auf Genuss.
Man muss halt alles (a weng) probieren.
Es gibt aber auch Fragen im Leben, deren Beantwortung mit "alles a weng"
weniger von Offenheit und Flexibilität zeugt denn von fehlender
Einstellung. Menschen zum Beispiel, die auf "Was hörst du denn am liebsten
für Musik?" ein "Och, alles a weng." nuscheln, sind mir suspekt.
"Hören" beschreibt schließlich in diesem Kontext nicht die Wahrnehmung
an sich, derer man sich möglicherweise nicht erwehren kann, wenn man
sich der Unterschiedslosigkeit dessen hingibt, was aus dem Radio quillt,
oder geradezu panisch durch abendliche TV-Volkstümeleien zappt auf der
verzweifelten Suche nach... irgendwas anderem. Nein, "hören" meint
hier eine grundlegende Tendenz, die sich insbesondere beim Erwerb von
Tonträgern widerspiegelt. Und diese wiederum ist oft aussagekräftiges
Spiegelbild der Persönlichkeit und/oder des sozialen Standpunkts
und/oder aller und jeder Bedeutung und überhaupt.
Ich erinnere mich beispielsweise an meine Grundschulzeit, in der die Frage, ob man Abba
oder die Beatles besser fände, von essentieller Bedeutung für die
Aufnahme in eine der diversen Banden war.
In spätpubertären Jahren IST man, was man HÖRT. Man ist Metaller,
Hip-Hopper, Techno-Wirrkopf, jedenfalls irgendwas. Das ist wichtig!
Outfit, Freundeskreis, Lebensphilosophie - alles schwimmt in diesen
Jahren dahin auf den Klangwellen, die der heimischen Stereoanlage
entströmen, und da diese Jahre so prägend für die
Persönlichkeitsentwicklung sind, bleibt einiges davon bis ins hohe Alter
hängen.
Ich frage mich daher zum Ersten: Wie sieht das CD-Regal von jemandem aus, der
"alles a weng" hört? Nehmen dort Marianne und Michael beim Schunkeln zu
Sade-Interpretationen von Motörhead-Klassikern Eminem in die Mitte?
Stehen Mozart und Ambros wegen des gleichen Vornamens nebeneinander und
beschließen nach erstem Kennenlernen, zusammen auf die Loveparade zu
fahren?
Und wie sieht - zum Zweiten - dementsprechend der "alles a weng"-Mensch aus? Trägt er
ein clownartig zusammengeflicktes Outfit? Ist sein Freundeskreis so bunt
gemischt wie sein Repertoire an völlig konträren Antworten auf alle
Lebensfragen?
Selten.
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass die Vielfältigkeit interessanter
charakterlicher Besonderheiten von "alles a weng"-Menschen in der Regel
besser vorhersagbar wäre, würden sie die Hör-Frage ehrlicherweise
beantworten mit:
"Nichts."